Soll ich das Kind mit zur Beerdigung nehmen?
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Eine Frage, die uns oft gestellt wird.
Wenn die Trauerfeier ansteht, fragen sich viele Eltern, ob sie ihr Kind dieser Ausnahmesituation aussetzen sollen. Dass es aber durchaus völlig in Ordnung und in vielen Fällen sogar ratsam ist, Kinder in einer solchen Situation nicht auszuschließen, wollen wir uns hier näher ansehen.
Kinder verstehen mehr, als wir denken
Eltern möchten Ihre Kinder vor negativen Gefühlen schützen. Doch gerade wenn es sich um die Beerdigung eines nahen Verwandten – etwa der eigenen Großeltern – oder einer guten Bekannten, wie beispielsweise der besten Freundin der Mutter, handelt, kann es auch für Kinder hilfreich sein, sich zu verabschieden. Denn eine Trauerfeier bietet die Möglichkeit, Abschied zu nehmen.
Kinder trauern anders als Erwachsene
Für Kinder ist der Umgang mit dem Tod meist wesentlich einfacher und selbstverständlicher als für Erwachsene. Eltern müssen sich in jedem Fall die Zeit nehmen, die grundlegenden Fragen zu besprechen. Diese könnten sein: Warum muss man eigentlich sterben? Sterben Mama und Papa auch bald?
Doch die Teilnahme an einer Bestattungszeremonie hilft den Kindern dabei, die Endgültigkeit des Todes zu verstehen. Sie sehen, wie sich Bekannte von einem geliebten Menschen verabschieden und wie der Sarg oder die Urne im Grab untergebracht werden. So erfahren sie, was mit einem Menschen passiert, nachdem er verstorben ist. Er verschwindet nicht einfach.
Und welchem Alter sollte ich mein Kind mitnehmen?
Kinder ab einem Alter von 4 Jahren können durchaus an einer Beerdigung teilnehmen, denn ist das Kind gut vorbereitet, hat es eine Vertrauensperson an seiner Seite und möchte es an der Beerdigung teilnehmen, gibt es keinen Hinderungsgrund.
Alternativ könnte man alleine nach der Trauerfeier gemeinsam mit der Tochter oder dem Sohn separat Abschied nehmen und ein eigenes kleines Abschiedsritual abhalten. So könnte man noch einmal zum offenen Grab gehen mit einem selbstgemalten Bild oder der Lieblingsblume des/der Verstorbenen.
Verstörend kann es für junge Menschen sein, wenn jemand – etwa durch einen Unfall oder gar durch Suizid – zu jung aus dem Leben geschieden ist.
Wenn ein Tod aufgrund einer langen Krankheit oder aufgrund hohen Alters vorhersehbar ist und das Kind demnach schon darauf vorbereitet werden konnte, ist eine Verabschiedung am Grab meist eine natürliche Folge und kein großer "Schock". Ist jemand aber plötzlich verstorben, so kann dies für ein Kind verwirrend sein. Wenn Kinder Signale senden, dass sie nicht dabei sein wollen, dann nehme den Wunsch ernst. Doch wenn Kinder sich auch in diesem Fall wünschen, Abschied zu nehmen, sollte man in jedem Fall nachkommen, auch wenn das bedeutet, sich vor der Bestattung sehr intensiv mit seinem Kind auseinanderzusetzen und zu versuchen, etwas Unbegreifliches begreifbar zu machen.
Der Umgang mit dem Thema Tod
Wie bereite ich mein Kind auf einen solchen Anlass vor?
Ganz wichtig ist: Sei immer ehrlich.
Wenn Kinder nach dem Tod fragen, ist es stets wichtig, einfache Sprache zu verwenden und belastende, nicht essenzielle Details auszulassen.
Kinder lernen von den Eltern. Auch den Umgang mit der Trauer.
Verberge also deine Trauer nicht, lass ihr freien Lauf. Nur dadurch merkt dein Kind, dass es völlig in Ordnung ist, Gefühle zu zeigen und zu weinen. Denn Kinder spüren mit den feinen Antennen ohnehin, wenn die Eltern traurig und bedrückt sind.
Wichtig: Die Vor- und Nachbesprechung
Besprich im Vorfeld, wie die Bestattung samt Trauerfeier ablaufen wird.
Es gibt da einige Fragen zu beantworten:
=> Warum trägt man Schwarz?
=> Warum sagen alle „Herzliches Beileid“
=> Wer darf zur Beerdigung kommen?
Wichtig sind Rituale, die das Kind auch selbst übernehmen kann, z.B.
Blumen ins Grab streuen, Erinnerungsstücke in den Sarg legen, ein Bild malen und an einen Luftballon hängen. Es gibt da viele kreative Möglichkeiten.
Während der Trauerfreier solltest du einen engen Vertrauten, – etwa der/die Pate/in des Kindes oder ein/e enge/r Freund/in der Eltern –, die/der nicht so stark von dem Trauerfall betroffen ist, an deiner Seite haben. Vielleicht wird es dem Kind zwischendurch zu viel oder es überlegt es sich in letzter Minute anders. Dann kann die Person mit dem Kind ohne großes Aufsehen die Bestattung verlassen.
Nach einer Trauerfeier ist es wichtig, das Geschehene in den darauffolgenden Tagen mit den Kindern zu besprechen. Du könntest fragen:" Welche Gefühle hast du gehabt? Hat Dir etwas Angst gemacht? Hast du noch Fragen? "
Du kannst die Fragen mit viel Geduld, Feingefühl und ehrlichen Worten beantworten. Und auf manche Fragen hast du vielleicht selbst keine Antwort. Das ist nicht schlimm. Du kannst auch ehrlich sagen: "Ich weiß das leider nicht genau. Aber wir könnten gemeinsam überlegen. Was glaubst du?"
Das Kind hat dann die Chance, seine eigenen Vorstellungen zu entwickeln und ihr könnt ein schönes, ehrliches Gespräch beginnen.
Vermeide aber die typischen Floskeln wie: "Oma ist eingeschlafen."
Dies führt unnötig zu Ängsten und kann zu Schlafproblemen führen.
Ebenso ist der Satz: "Oma ist jetzt auf einer langen Reise" irreführend, denn das Kind könnte denken, dass Oma irgendwann wiederkommt. Wenn das nicht passiert, fühlt es sich verlassen.
Also hab keine Angst. Du kannst nichts falsch machen.
Falsch wäre nur, den Tod zu verschweigen.
Erfahrungsberichte aus unserer Community
"Für unsere Kinder war die Beerdigung von ihrem Bruder sehr wichtig. Wir waren aber auch immer ehrlich und aufrichtig zu den beiden. Meine Tochter stand am Grab und rief runter zu ihrem Bruder: "Alexej, komm raus". Das war ein schlimmer Moment für alle, aber trotzdem auch irgendwie so liebevoll." (Jacqueline)
"Ich war damals 5 oder 6 Jahre alt, als mein Urgroßvater gestorben ist. Meine Eltern haben mich mitgenommen und mir gesagt, ich solle bescheid geben wenn es mir zu viel wird. Die Beerdigung ist mir bis heute positiv in Erinnerung geblieben." (Kathrin)
"Ich bin auch sehr dankbar, dass ich im Alter von 4 Jahren bei der Beerdigung meines kleinen Bruders dabei sein durfte. Es war sehr wichtig für mich, Abschied nehmen zu dürfen." (Michaela)
"Ich bin meinen Eltern so dankbar, dass ich als Kind mit zur Beerdigung meiner Uroma gehen durfte. Ich fand das damals eher interessant als beängstigend. Viel wichtiger aber ist, dass dieses Erlebnis sehr geholfen hat mit späteren Beerdigungen von Mitschülern und eigenen Familienmitgliedern umzugehen, zu verstehen und die Scheu vor dem Thema abzubauen. Klar, eine Beerdigung bleibt meist furchtbar traurig und dennoch hilft es Kindern nach meiner Erfahrung mehr als sie auszuschließen und ein Tabu daraus zu machen."
"Ich leide immer noch darunter, bei der Beerdigung meiner Oma nicht dabei gewesen zu sein." (Katja)
"Von etwas ausgeschlossen zu werden, bedeutet für den Betroffenen oft, Schuld an etwas zu sein." (Britta)
"Ich bin neben einem Friedhof aufgewachsen und da waren noch alle Verstorbenen aufgebahrt. Ich bin froh, dass es wieder Verabschiedung am offenen Sarg gibt. Auch meine Kinder konnten sich von ihren Großeltern so verabschieden." (Dorothea)
"Es sollte mit den Kindern gut vorbereitet sein und ihnen frei gestellt werden. Der Abschied ist sehr wichtig für Kinder und braucht ein Ritual. Wird darauf nicht eingegangenen, kann dies je nach der persönlichen Bindung zu der verstorbenen Person auch zu einem traumatischen Erlebnis werden." (Birgitt)
"Bei dem Gedanken, Kinder selbst entscheiden zu lassen, ist zu bedenken, dass sie schlecht über etwas entscheiden können, dass sie noch nie erlebt haben.
"Wie sollen sie das einschätzen? Oft hilft es mehr, dem Kind eine Orientierung zu geben, ihm alles vorher zu erklären und es zum Mitkommen zu ermutigen (natürlich nicht zwingen). Und dann vorsorgen, dass wenn man selbst bei den nächsten Trauernden ist, möglichst noch eine vertraute Begleitperson fürs Kind dabei ist, die mit ihm raus- oder beiseitegehen kann, wenn es ihm zu viel wird. Ich verstehe den Impuls, das Kind schonen zu wollen, aber für manche ist der Preis auch hoch (wie hier schon erwähnt: sich ausgeschlossen fühlen, fehlende Abrundung/Abschied, die Situation nicht verstehen/einordnen können in ihrer Endgültigkeit)." (Marianne Nolde, Psychologin und Autorin)